Samstag, 8. Dezember 2012

Gastbeitrag | Weniger ist mehr - warum du lernen solltest, dich von Dingen zu trennen

Nicht der Mensch ist glücklich, welcher am meisten besitzt, sondern der, welcher am wenigsten braucht. Wer mit nichts zufrieden ist, der besitzt alles.

– Diogenes



Im September 2011 verschenkte ich meine analoge Spiegelreflexkamera, zwei Gitarren und etwa 400 Bücher.

Es war keine überhastete, sondern eine wohlüberlegte Entscheidung. Warum sollte ich mich von diesen Dingen trennen, die mir zu verschiedenen Zeitpunkten in meinem Leben einmal viel bedeutet hatten?
Die Antwort: Weil ich seit Jahren digital fotografiere und der Auslöser meiner analogen Kamera schon lange nicht mehr betätigt worden war, weil die Gitarren nur noch als Accessoires in einer dunklen Ecke meiner Wohnung standen, und weil die Bücher ihren Platz im Regal seit dem letzten Umzug nicht mehr verlassen hatten.

Ich habe die Kamera, die Gitarren und die Bücher an Menschen verschenkt, die sie wieder benutzen. Ich habe sie aus ihrem tristen Dasein als Staubfänger erlöst und sie wieder zu Gebrauchsgegenständen gemacht. Das ist das eine - der uneigennützige Aspekt des Entrümpelns sozusagen.

Konsumwahn


Wie wir von unserem Besitz gefangen gehalten werden

Das andere ist, dass uns unsere Habseligkeiten viel mehr kosten als das Geld, das wir für ihre Anschaffung ausgegeben haben:
  • Jedes “Ding” das wir besitzen beansprucht Platz. Je mehr wir besitzen, je mehr Besitztümer wir unterbringen müssen, desto größer wird die Unordnung in unserer Wohnung, im Keller, auf dem Dachboden.
  • Wir müssen unsere Besitztümer instandhalten, wir müssen sie entstauben und pflegen und reparieren oder reparieren lassen - das kostet Zeit und häufig auch Geld.
  • Wenn wir umziehen müssen wir unseren gesamten Besitz in Kisten verpacken, die Kisten beschriften, sie in Autos verladen, transportieren, auspacken und alles wieder aufbauen und einräumen.
  • Wir haben Angst, unseren Besitz zu verlieren - sei es, weil wir ihn uns nicht mehr leisten können, weil er uns gestohlen wird, weil wir ihn in der Straßenbahn vergessen oder aus Versehen auf den Boden fallen lassen.
  • Unsere Besitztümer können uns emotional belasten, uns in unserer Vergangenheit festhalten und uns daran hindern, uns darüber zu freuen, was wir im Hier und Jetzt haben.

“Die Menschen sind zu Werkzeugen ihrer Werkzeuge geworden” schrieb Henry David Thoreau. Ohne es zu merken werden wir von unseren Habseligkeiten gefangen gehalten. Wir können unsere Freiheit wiedererlangen, indem wir uns von den Dingen trennen, an denen wir nur noch aus nostalgischen Gründen hängen.
Je weniger Bedeutung du deinem Besitz zukommen lässt, desto einfacher wird es dir fallen, glücklich zu sein.
 

Den Anfang machen in 3 Schritten

Das Entrümpeln ist ein Prozess, der gar nicht überwältigend sein muss, sondern schrittweise erfolgen kann und sogar sollte: Fange mit einem einzigen Zimmer, einem Schrank, einer Schublade an. Genieße nach jeder “Entrümpelungs-Sitzung” den neuen Zustand eine Weile, ohne schon wieder an die nächste zu denken. Nimm dir vor, dich zukünftig bei jeder Neuanschaffung von zwei alten Dingen zu trennen.


Das Wichtigste: Mache einen Anfang. Jetzt! Und zwar so:
  1. Denke zurück an die letzte größere Anschaffung die du gemacht hast. Erinnere dich an deine Vorfreude und an das Gefühl, als du die Anschaffung endlich in den Händen gehalten hast. Erinnere dich daran, wie du dich eine, zwei, drei Wochen später gefühlt hast. Hat die Anschaffung dein Leben verändert? Befriedigt sie dich noch heute? Oder hast du schon wieder die nächste Anschaffung im Blick? Diese kleine Übung soll dir dabei helfen, zu erkennen, dass es eine Illusion ist, dass Besitz glücklich macht. Die Freude über neuen Besitz ebbt schon nach kurzer Zeit ab. An ihre Stelle tritt das Bedürfnis nach der nächsten Anschaffung.
  2. Suche jetzt einen Gegenstand aus deinem Besitz, den du schon länger als 6 Monate nicht mehr verwendet hast. Das kann ein Buch, eine DVD, ein Kleidungsstück oder etwas ganz anderes sein. Der materielle Wert ist egal - fang ruhig klein an!
  3. Trenne dich noch heute von diesem Gegenstand. Wenn es ein Buch ist, verschenke es an einen Freund oder stelle es in einen offenen Bücherschrank. Wenn es ein Kleidungsstück ist bring es zur Altkleidersammlung. Wenn es völlig nutzlos ist, wirf es weg!

Wie haltet ihr es mit eurem Besitz? Entrümpelt ihr regelmäßig oder fällt es euch schwer, euch von Dingen zu trennen? Wenn ja, was hält euch davon ab? Ich bin gespannt auf eure Kommentare!


PS: Mit diesem Gastbeitrag bei Sue bin ich sozusagen thematisch Fremdgegangen. Eigentlich schreibe ich nämlich auf meinem Blog beVegt über das Laufen (den minimalistischsten Sport der Welt), die vegane Lebensweise, und wie beides zusammenpasst - nämlich hervorragend! beVegt gibt es übrigens auch bei Facebook und auf Twitter. Ich freue mich über euren Besuch!

von Sue: Herzlichen Dank Daniel! Ein sehr gelungener Text! Für solche Themen gibt's hier immer einen Platz für Dich! Sehr gerne wieder!

















12 Kommentare:

  1. Ich kann allem nur zustimmen!

    Einmal im Jahr rümpeln wir unsere Habseligkeiten komplett aus und verkaufen oder verschenken alle nicht mehr benötigten Dinge. So hat meine Frau jetzt auch Platz für ihre Bastelsachen gefunden, ich für Entspannung oder Sport. Mein Sohn darf nur noch neue elektrische Geräte (PlayStation usw.) kaufen oder sich wünschen, wenn er vorher alles alte verkauft. So hat er zwar weniger rumstehen, aber er freut sich und genießt es so für etwas neues mitgeholfen zu haben. Er ist nicht so satt, wie viele Kinder....

    Ich denke oft noch über unsere Essecke nach, die wird nur zu Weihnachten genutzt, wir sitzen mittlerweile gerne in der Küche zusammen. Ist viel gemütlicher:-) Doch bis jetzt wissen wir nicht, was wir dort hinstellen sollen? Wir brauchen nichts neues....

    Also rümpelt aus, tut anderen was gutes und es wird euch gut tun!


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    1. Hallo Anonym,

      das klingt ja ganz wunderbar was ihr da macht und dass ihr auch euren Sohn so erzieht! Sehr schön!

      Vielleicht wäre ja eine Lese-/Entspannungsecke etwas für Eure alte Essecke? Nur so ein Gedanke...

      Alles Liebe und viel Spaß beim nächsten Entrümpeln!

      sue

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  2. Ich bemühe mich sehr, unnötigen Krempel loszuwerden. Und davon gibt es sehr viel bei uns im Haus. Es gibt viele Geschenke, die mir Menschen mal in bestimmt guter Absicht gemacht haben, die ich aber nie benutze, viel Gedöns das einfach mit "Erinnerungen" behaftet ist und ganz viel, was ich mehr selber angeeignet habe, aber nie oder nur ganz selten brauche, also - weg damit. Das ist gar nicht so einfach, denn unter Umständen waren diese Dinge zu einer anderen Zeit im Leben durchaus sinnvoll und wichtig (und vielleicht sogar mal teuer), aber heute - im Jetzt und Hier - brauche ich sie nicht mehr. Ich nehme mir vor, mich jeden Tag von einer unnötigen Sache zu trennen und das fällt mir nicht leicht. Aber - das ist die gute Sache da dran - ich freue mich auf den Tag, an dem ich nur noch umgeben bin von Dingen, die ich wirklich benutze, die mir ein Lächeln ins Gesicht zaubern und die ich wirklich mag. Allein diese Vorstellung motiviert mich, weiter zu machen. Ein schöner Post, entledigt euch aller unnützer Dinge, auch wenn es eine Weile dauert, Rom ist auch nicht an einem Tag erbaut worden. Es ist ein Prozess, der aber letzten Endes mit sehr viel Lebensqualität gekrönt ist. Ich bin dabei!
    LG Eva

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    1. Hi Eva, ich hätte früher gar nicht gedacht, dass mir der Anblick eines von allem überflüssigen befreiten Zimmers (oder Regals oder Schublade) so eine Befriedigung verschaffen könnte. Man muss den "Minimalismus" nur wie du schreibst als einen Prozess verstehen und darf sich nicht verrückt darüber machen, sonst verfehlt er sein Ziel.

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    2. Hallo Eva,

      ganz genau: es ist ein Prozess! Immer ein bisschen! Es braucht viele Schritte um ans Ziel zu kommen (sofern es überhaupt ein Ziel gibt, denn es gibt ja keinen Punkt X an dem man nichts mehr geschenkt bekommt oder sich kauft).

      Unnötige Dinge, die ich im Hier und Jetzt nicht mehr brauche aber sentimentalen Wert haben, fotografiere ich und klebe es in ein Buch oder mache ein digitales Fotobuch. So kann ich es mir anschauen und habe immer noch die alten Geschichten parat, die dazu gehören. Und so ein Foto nimmt weit weniger Platz weg :-)

      Alles Liebe
      sue

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  3. Ausmisten macht glücklich! Da bin ich ganz eurer Meinung. Toller Text dazu. Zum Thema Loslassen gibt es ja einiges in verschiedenen Büchern - ich habe mal den Tipp befolgt, etwas, was mir sehr viel bedeutet zu verschenken -also im Kontrast zu 6 Monate nicht benutzt...sozusagen für Fortgeschrittene ;-) - und das war auch befreiend und die Freude zu sehen war toll. Kann ich auch empfehlen!

    Liebe Grüße und bis bald

    Silja

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    1. Hallo Silja,

      das mit dem Verschenken ist auch ne nette Idee! Danke dafür!

      Alles Liebe
      sue

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  4. Schöner Artikel! :) Finde es toll, dass immer mehr Menschen über das Thema schreiben und so viele andere damit anstecken. Auch wenn ich selbst noch nicht wirklich nennenswert ausgemistet habe, finde ich es immer wieder ermunternd weiterzumachen, nachdem ich einen solchen Text gelesen habe :-)

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    1. Hallo Ainsley,

      die Komplimente gehen natürlich direkt an Daniel! Ich finde den Beitrag auch klasse, da es auch ein Thema ist, das ich immer wieder angehe und solche Artikel auch mich einfach inspirieren!

      Alles Liebe
      sue

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    2. Hi Ainsley, das freut mich zu hören! Ich selbst habe mich vor etwas mehr als einem Jahr mit dem "Minimalismus-Virus" angesteckt und seitdem vieles über mich selbst gelernt und über die Mechanismen des "Zufrieden-Seins". Die wichtigste Erkenntnis: nichts was wir uns kaufen wird uns dauerhaft zufrieden machen, deshalb ist es eine gute Idee, sich das vor Augen zu führen, bevor man etwas anschafft, das man "unbedingt" braucht.

      Falls Englisch für dich kein Problem ist empfehle ich dir zwei Blogs von Leo Babauta, sozusagen der "Guru" des Minimalismus: zenhabits und mnmlist.

      Viele Grüße, Daniel

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    3. Danke für eure lieben Rückworte! Ich finde bei euch merkt man, dass ihr wirklich hinter dem steht, was ihr schreibt (ich lese schon seit einiger Zeit still eure Blogs mit). Und das finde ich doppelt sympathisch, das Lesen macht so noch mehr Spaß.

      Leo's Blogs habe ich in den letzten Monaten schon förmlich aufgesogen, aber danke für den Tipp :)

      Mir kommt es teilweise ja so vor, dass das Umsetzen des Minimalismus' deshalb für manche (mich eingeschlossen) schwer oder zumindest langsam umsetzbar ist, weil das Umfeld, besonders anfangs, weiterhin auf "Konsum" ausgerichtet ist und somit immer der Reibungspunkt mit der "Außenwelt" besteht und man dadurch immer wieder in Versuchung geführt bzw. verunsichert wird oder werden kann. Man will sich ja nicht einigeln, nur weil man jetzt eine andere Weltanschauung als Freunde, Verwandte, Bekannte, etc. hat.

      Und genau deshalb gefällt mir die wachsende Minimalismusgemeinschaft so gut. Weil man sich dann nicht mehr so alleine und unverstanden fühlt :) Aber ich glaube, dieses Gemeinschaftsgefühl ist generell eine Sache, die gefördert gehört, denn Minimalismus ist ja nicht das einzige Thema, bei dem man Rückendeckung gebrauchen kann (Veganismus ist ja dafür auch ein gutes Bsp).

      Deshalb, bitte weitermachen :)

      Liebe Grüße,
      Ainsley

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    4. Ich sehe das ganz genauso wie Du Ainsley. Ich interessiere mich schon immer für Minimalismus und habe ihne eine zeitlang in meinem Leben auch gut umgesetzt, aber das Umfeld, der Stress und das Leben an sich, lässt einen das dann irgendwann vergessen. Zumindest war das bei mir so. Das letzte Jahr habe ich mich massiv damit auseinander gesetzt und auch viel bei mir daheim verändert, mich auch viel mit meinem Umfeld auseinander gesetzt und versuche jetzt, mich mehr mit Leuten zu umgeben, die eine Einstellung zum Leben haben und dem Konsum etwas kritischer gegenüber stehen. Eine Menge ausgemistet. Hier ein Blogpost, den ich im November dazu geschrieben habe: http://structuredandcolourful.blogspot.de/2012/11/the-power-of-less.html

      Ich bin auch ein Riesenfan von Leo Babautas Blog und dem mnmalist Blog. Ich finde es auch wahnsinnig faszinierend, die Gründe für das eigene Hamsterverhalten zu suchen und zu finden. Es hat wahnsinnig viel mit Emotionen und Problemen, loszulassen zu tun. Es kann aber alles mögliche sein. Die Gründe sind so individuell wie die Menschen. ;-)

      Ich finde, Ausmisten hat eben auch sehr viel damit zu tun, sich mit sich, seinen Wünschen, seinen Werten und seinen Erwartungen an sein Leben auseinander zu setzen. Letztendlich hängt das alles sehr eng zusammen. :-)

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